"Pałacyk Plus" - Boom für Schlösser und Herrenhäuser auf dem polnischen Immobilienmarkt?

Steffen Seibel
Mo, 14.02.2022
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Viele Menschen träumen von einem Leben in einem Schloss, in einer schönen Gründerzeitvilla oder in einem kleinen Gutshaus auf dem Land. Was für Normalverdiener in der Regel eine Wunschvorstellung bleibt, könnte in Polen ab sofort Realität werden. Zumindest in der Theorie, denn ob das Angebot zum Verkaufsschlager für die Mittelschicht taugt, wie oft es beansprucht wird und wer am Ende in welcher Form von diesem "königlichen Bonus" profitiert, wird sicher erst die Zukunft zeigen.


Polen beschließt Förderprogramm für Liebhaber und Retter alter Häuser

Wie aus dem Nichts: Plötzlich war sie da, ohne dass darüber eine wahrnehmbare Debatte geführt wurde: Die Rede ist von einer speziellen Abschreibungsmöglichkeit, die die polnische Regierung für Käufer und Eigentümer von Burgen, Schlössern und Herrenhäusern in Polen vorsieht. Unter der Bezeichnung Pałacyk Plus soll der Kauf und Erhalt der polnischen Kulturdenkmäler ab dem 01.01.2022 in einem besonderen Maße gefördert werden. Das Angebot lockt mit großzügigen, bislang nie dagewesenen Vergünstigungen. Als "Steuergeschenk für Reiche bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer Mißstände im Land" wird das neue Programm von Kritikern bezeichnet und bleibt damit nicht ohne politische Brisanz.

Sanierung Gutshaus in Polen, Zuschuss Pałacyk Plus
Vorbildlich saniertes Gutshaus - wer ohnehin den Kauf oder die Renovierung eines Denkmals in Polen plant, bekommt jetzt saftige Zuschüsse in Aussicht gestellt.


Hintergrund: Viele bedrohte Kulturdenkmäler in den ländlichen Gebieten

Sie prägen den ländlichen Raum Polens in einem beeindruckenden Ausmaß: Tausende Schlösser, Gutsanlagen und Herrenhäuser verteilen sich auch heute noch in allen Woiwodschaften des Landes. Es sind nicht nur die steinernen Zeugen des Königreichs Preußen, in der Adelsrepublik Polen-Litauen waren es einflußreiche polnische Magnaten sowie der polnische Kleinadel, der in den historischen Zentren Masowien und Lublin zahlreichen Paläste und Parkanlagen errichten ließ.

Obwohl das Land seit der Nachkriegszeit permanent eindrucksvolle Beispiele für Rekonstruktion und Sanierung zerstörter Schlösser zeigt, ist die Liste der bedrohten Denkmäler immer noch lang. Die Ursachen für den insbesondere im ländlichen Raum verbreiteten Leerstand und Verfall sind dabei nicht immer fehlende finanzielle Mittel, denn an solventen Kaufinteressenten für historische Häuser mangelt es nicht. Wer jedoch plant, ein altes Gutshaus etwa für private Zwecke herzurichten, legt Wert auf Privatspähre und ein "ungestörtes Umfeld". So lassen sich zum Verkauf stehende Herrenhäuser ohne nennenswerte Grundstücksgröße auf zersiedelten Gutshöfen mit landwirtschaftlichen Betrieben in direkter Nachbarschaft schwer vermarkten. Noch schwieriger ist die Situation bei langjährig andauernden Rechtsstreitigkeiten zwischen Kommunen und Erben, die eine Vermarktung unmöglich machen. Auch lokale Politik kann Erhalt und Investitionen erschweren, denn oft setzen kommunale Flächenutzungspläne Investoren enge Vorgaben für die zukünftige Nutzung einer ländlichen Entwicklungsimmobilie.

Wird dieses neue Maßnahmenpaket zum Retter aller Problemimmobilien? Davon ist nicht auszugehen, aber: Die Liste der Immobilien und Grundstücke, die davon profitieren könnten, ist ebenso groß. Kaufinteressenten für polnische Schlösser und Gutshäuser sollten sich daher mit den wichtigsten Regelungen vertraut machen und sich steuerlich beraten lassen.

Wer profitiert von "Pałacyk Plus"? - Das Wichtigste kurzgefasst

Die Steuerreform adressiert alle Käufer, Eigentümer und Miteigentümer einer historischen Immobilie in Polen, unabhängig von ihrem Vermögen, ihrer Position oder Einkommensquelle. Als einzige Vorraussetzung muss es sich bei der Immobilie um ein eingetragenes Denkmal ( poln.: Zabytek ) handeln.


  • Sämtliche Anschaffungskosten in Zusammenhang mit der Denkmalimmobilie können mit maximal 500 PLN je 1 m² Nutzfläche abgesetzt werden, maximal 500 000 PLN pro Jahr.

  • Zusätzlich können bis zu 50% sämtlicher Ausgaben für bauliche Dienstleistungen steuerlich geltend gemacht werden, wobei nach derzeitigem Stand keine Höchstgrenzen vorgesehen sind: Wer 6 Millionen Złoty investiert, kann 3 Millionen Złoty absetzen.

  • Das neue Gesetz ermöglicht somit die Begrenzung des eigenen Einkommens bei deutlich weniger Steuerlast.

  • Bisherige Denkmalschutz-Verordnungen bleiben hiervon unberührt: Anspruch auf diesen Bonus hat nur, wer bauliche Tätigkeiten mit den erforderlichen Genehmigungen der zuständigen Denkmalbehörde durchgeführt hat.


Kann sich jetzt jeder das eigene Schloss leisten?

Zwar ist zu erwarten, dass es in der nächsten Zeit zu einem Marketingschub und neuen Kaufangeboten kommen wird, ob der mit großem Medienecho verbreitete Ritterschlag tatsächlich zu einem rapiden Anstieg an Schlossherren führen wird, ist unwahrscheinlich. Erwerb, Sanierung und Erhalt eines Schlosses werden auch durch beachtliche Steuererleichterungen nicht zum Alltagsgeschäft. Zudem lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen, wieviel Substanz und Langzeittauglichkeit in diesem neuen Gesetz steckt, inbesondere auch im Hinblick auf das Zusammenspiel mit den Behörden. Und Polens Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam.

Wer jedoch unabhängig davon den Kauf einer Denkmalimmobilie in Polen geplant hat oder bereits Eigentümer einer solchen in Polen ist, für den wird Pałacyk Plus sicher nicht zum Minusgeschäft.

Sobald uns erste Erfahrungen aus der Praxis vorliegen, werden wir darüber berichten und diesen Artikel aktualisieren. Unser Newsletter hält Euch auf dem Laufenden!

Update Juni 2022: Aus für Pałacyk Plus?

Mehrere Quellen berichten von einer baldigen Abschaffung der Steuererleichterung "Pałacyk Plus". Demnach soll es das Programm nach Angaben des polnischen Finanzministeriums bereits im kommenden Jahr 2023 nicht mehr geben. Diese Information wurde zwischenzeitlich von amtlicher Stelle offiziell bestätigt.


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