„Wann kommst du wieder zurück nach Dänemark?“ Die Antwort kam ohne Zögern: „Ich kehre nicht wieder zurück!“ Italien ist magisch. Betörend, selbst wenn man ganz nüchtern ist. Diese Nacht bildet da keine Ausnahme. Unter einem orangefarbenen Mond werfen die Olivenbäume ein grau-blaues Licht auf das Gras. Das Meer rauscht sanft in der Ferne und die Zikaden singen so laut, dass sie in meine Wohnung zu dringen scheinen.
Eine kulinarische Offenbarung
„Merluzzo, del pesce che ha cambiato il mondo.“ – „Ah si?“ antwortete er. Dieser Merluzzo hat meine Welt tatsächlich verändert, als er meine Sinne explodieren ließ und ich mit unterdrückter Aufregung seufzte. Bevor ich nach Italien zog, dachte ich, ich hätte schon erstaunliches italienisches Essen probiert. Ich lag völlig falsch. In Italien ist Essen Liebe. Wenn ein Italiener dich beeindrucken will, hebt er das Kochen auf ein ganz anderes Niveau. Altissimo livello! Wenn du wagst, nach Kochberatung zu fragen, sagen sie normalerweise nur: „Con amore, Con amore.“ Das weiße, zarte Fleisch wurde liebevoll in Butter, Zitrone, Salz und Pfeffer gewendet und hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck. Danach gab es Tartufo-Käse, Würstchen mit Rosmarin aus dem kleinen Gemüsegarten hinter der Scheune. Das Tiramisu brachte mich fast zu Tränen und ich sah in den venezianischen Spiegel, um mein Make-up zu überprüfen. Ich konnte mich nicht mehr erkennen. „Sai veramente bronzata!!“ rief er aus, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich hätte nie gedacht, dass es mit meiner hellen Haut möglich ist, so braun zu werden. Italien hat mich physisch verändert. Italiens Sonne hat mein rotes Haar in eine kaskadierende Löwenmähne aus Rosen- und Weißgold-Sonnenreflexen verwandelt und meine Haut mit kleinen hellbraunen Sommersprossen übersät.
Die Suche nach Glück
Italien ist wie die große Liebe. Es erweitert alles, verändert deine DNA, lässt dich sprachlos zurück und danach ist nichts mehr wie vorher. Alles andere erscheint lediglich als zahmer Antiklimax. Leben ist Perspektive, wie meine Alter-Ego Beth Dutton sagt und meine Perspektive hat sich erheblich verändert. Früher war ich immer auf der Suche nach größeren beruflichen Herausforderungen. Jetzt entdecke ich die Fülle im Einfachen.
Entschuldigung, ich bin natürlich völlig voreingenommen. Warum bin ich ursprünglich nach Italien gezogen? 2020 in Dänemark fühlte ich mich, als käme ich nicht voran. Ich war in dieser modernen Welt der Mikrowellen-Geschwindigkeit und des Erfolgs nicht besonders glücklich. Kurz bevor ich mein Examen ablegte, sagte einer meiner Tutoren: „In letzter Zeit bin ich überrascht, wie viele ehemalige Studenten und Kollegen mir erzählen, dass sie sehr unglücklich sind. Vielleicht ist es nicht das Richtige für dich, eine Führungsposition in einer großen Kanzlei anzustreben. Vielleicht ist es etwas ganz anderes. Hab keine Angst. Das Leben ist zu kurz, um unglücklich zu sein!“ Seine Worte blieben mir im Gedächtnis und ich begann, meinen Glücksbarometer auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten. Selten lag er über 6. Dass Dänemark regelmäßig zu den Spitzenreitern im "World Happiness Report" zählen soll, war mir völlig unverständlich. Zu jener Zeit war Italien noch ein Traum, aber die Worte meines Tutors hatten sich tief in mir eingeprägt.
Die Entscheidung zur Veränderung
„Ich träume immer noch von Südafrika“, sagte eine dänische Freundin von mir kurz darauf. Sie hatte 17 Jahre von ihrem Traum gesprochen. Träume ohne Taten sind nichts anderes als Halluzinationen. Ich sah mich selbst nicht besser und Bilder der Zukunft blitzten vor meinem inneren mentalen Rahmen auf – gelähmt und zerknittert, vor mich hin dümpelnd in einem Altersheim, über das, was ich hätte tun können. Das Szenario beschäftigte mich sehr. Eine australische Krankenschwester hat ein Buch darüber geschrieben, worüber Patienten in der Hospizpflege am meisten bereuen. An den Top 3 stehen unerfüllte Träume. Ich spürte eine zunehmend unruhige Turbulenz in mir.
Auf meiner Rückreise von einem Pferdesportevent in Turku traf ich am Flughafen Helsinki einen Amerikaner. Wir kamen ins Gespräch und er sagte: „Jede Frau hat einen Karen-Blixen-Traum.“ Es schien der perfekte Beginn einer Hallmark-Romanze zu sein. War es aber nicht. Der Amerikaner meinte es nicht positiv, es war eine Verallgemeinerung von Frauen, die ihr Leben träumen, anstatt ihren Traum zu leben. Doch seine bevormundenden Worte waren ein Anstoß für mich. Sie schoben mich vorwärts, wie ein Buch aus dem Regal, in dem ich mich versteckt hatte – hinaus in den freien Fall ins Unbekannte. Mein Entscheidungsprozess, nach Italien zu ziehen, war schnell. Innerhalb von zwei Monaten fand ich eine Region, einen Job und eine Wohnung und zog mich und meine Pferde nach Italien.
Wie Italien den Karen-Blixen-Traum verwirklicht
Inzwischen habe ich erkannt, dass ein Umzug in ein anderes Land viel mehr ist als nur ein Umzug. Für mich ist es eine erhabene Synchronizität – wie die perfekte Beziehung. Italien und ich verstehen uns. Sicher gibt es Probleme, aber es gibt große Liebe und ich kann niemals gehen.
Wie bei wahrer Liebe verändert und bereichert sich deine Realität: Glück, Freiheit und dein wahres Ich treten deutlicher hervor. In der richtigen Umgebung werden deine Farben intensiver. Italien hat mich nicht verändert; vielmehr habe ich entdeckt, wer ich wirklich bin – oder besser gesagt, das, was ich bereits war, aber nicht erkannt hatte. Meine italienische Freundin sagt, ich sei eine typische Napolitana.
Karen Blixen sagte, dass die drei wichtigsten Dinge im Leben Mut, Humor und Liebe sind. In dieser Reihenfolge, denn Menschen sind keine Mathematik. Die Mutigen werden gewinnen und ohne Mut wird nichts erreicht noch gewonnen. Karen Blixen beschrieb ihre Jahre in Kenia als die glücklichste Zeit ihres Lebens und ich glaube nicht, dass es ihr möglich gewesen wäre, das Buch „Afrika meiner Träume“ zu schreiben, ohne ihren Traum gelebt zu haben.
Der Karen-Blixen-Traum beschränkt sich nicht nur auf Afrika oder, in meinem Fall, Italien. Er verkörpert das Streben nach neuen Horizonten, Schönheit, Liebe und Abenteuer. Im Kern geht es jedoch darum, mutig und entschlossen zu sein, sich selbst treu zu bleiben und die eigene Existenz tiefgründig zu erforschen.
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Sansepolcro, Toskana
